Sabine und der Teufel von Arnimswalde

Dort, wo sich zu Füssen des Spitzberges ein glitzernder See an die Hügel schmiegt, so wie ein Weib, das sich in der Sonne räkelt, bestellte ein junges Bauernpaar den steinigen Acker. Mann und Frau waren so arm, dass sie sich ihren sehnlichsten Wunsch, ein Kind zu haben, versagen mussten. Darüber wurden sie stumm gegen einander und wagten es kaum, ihre Liebe zu zeigen. Als sie eines Abends nach einem heißen Sommertag auf dem staubigen Acker im Garten hinter ihrem Häuschen saßen, in die untergehende Sonne blinzelten, sich die Augen wischten, um danach ihre Blicke traurig ineinander zu versenken, hörten sie Pferd und Wagen über die Arnimswalder Dorfstraße poltern. Wie erstaunten sie, als der vornehme Wagen ausgerechnet vor ihrer armseligen Kate hielt.

Ein Herr stieg aus. Er war in einen schwarzen Umhang gehüllt und auf dem schmalen Kopf trug er einen hohen Zylinder. Die Hände waren weiß, und die Fingernägel lang wie bei einem, der für sein Auskommen noch nie zu arbeiten brauchte. Dieser Herr klopfte nun an ihre wacklige Tür, trat ein, ohne die Aufforderung dazu abzuwarten und stand plötzlich mitten in ihrem Garten.

Wegen der hohen Ehre hatten Mann und Frau diese Unart nicht wahrgenommen und fragten artig nach seinem Begehr. Der Herr sagte, dass er eine lange Reise hinter sich habe und Quartier suche, als erstes jedoch einen Schoppen Wein zu trinken wünsche.
Das Paar entschuldigte sich. „Wir sind so arm“, sagte der Bauer, „dass wir nicht einmal ein Bett besitzen. Wir schlafen auf Stroh. Auch haben wir keinen Wein.“ Die junge Frau senkte beschämt die Augen. Ihr Mann aber eilte zum Brunnen, der in der heißen Jahreszeit nicht immer genug Wasser führte und versuchte, die Pumpe in Gang zu setzen.

Der feine Mann lächelte das junge Weib freundlich an und ging mit leicht schwankendem Schritt dem Bauern hinterher, weil ihm ein Fuß zu kurz gewachsen war.
„Ich weiß ein Mittel,“ zischelte er dem Bauern ins Ohr, Dich und Deine Frau Euer Leben lang reich und glücklich zu machen.“ Den Bauern überkam ein Zittern. War es Angst vor dem Ungewissen oder die ungezügelte Erwartung endlich ein Kind zu haben? Er wusste es nicht und hob unsicher den Kopf. „Wie soll ich reich werden, Herr und was ist der Preis?“ presste er hervor.
„Wenn Du in den Stall gehst, wirst Du dort Pferd, Kuh, Schaf und Hühner vorfinden. Ein Esel wird Dir Gold ins Stroh legen, so oft Du ihm drei mal hintereinander die Ohren lang ziehst. Doch wenn Deine Frau nach neun Monaten einer Tochter das Leben schenkt, will ich sie zur Frau und komme an ihrem achtzehnten Geburtstag, um sie zu holen.

Der Bauer dachte daran, dass der Vertrag nicht gelten würde, wenn seine Frau zuerst einem Jungen das Leben schenkte. Er willigte in den Handel ein und betete heimlich zu Gott, dass alles gut gehen möge. Er ergriff zur Besiegelung des Handels die langen Finger des Fremden und bemerkte nicht, dass dessen Nägel ihm die Haut ritzten, so dass ein Blutstropfen auf ein weißes Papier fiel, dass der Fremde schnell unter seinem Umhang verschwinden ließ. Der hatte es nun eilig fort zu kommen. Er ging zurück ins Haus, verabschiedete sich artig von der schüchternen jungen Frau und eilte mit großen Schritten aus der Tür. Dabei zog er den kürzeren Fuß über die eiserne Schwelle. Da sah der Bauer die Funken sprühen und wusste, dass er einen Pakt mit dem Teufel geschlossen hatte.

Er begehrte weder Kind, Geld noch Gut und eilte in den Stall, um zu sehen, ob er nach der Hitze des Tages vielleicht nur geträumt habe. Aber nein. Er fand dort ein Pferd, eine Kuh, das Schaf und die Hühner vor. In einer Ecke stand der Esel und rief IA, so dass er ihm wie von fremder Hand geführt, dreimal an den Ohren zog. Schon lag ein Goldtaler im Stroh und der Bauer vergaß über so viel Glück seine Sorgen.

Seiner Frau erzählte er, dass sich der Fremde für die reichen Gaben eine Frau wünsche. Es sollte ihre Tochter sein. Die Frau war zufrieden und fragte nicht weiter, denn was sollte sie sich mehr wünschen als für ihre Tochter einen reichen wenn auch älteren Mann, der ein kürzeres Bein etwas nachziehen muss. Als die junge Frau nach neun Monaten einem Mädchen das Leben schenkte, kam dem Bauern die Quelle ihres Wohllebens wieder in den Sinn. Die Heiterkeit der letzten Monate war verflogen und er brütete mit dumpfem Gesicht vor sich hin. Warum bläst er Trübsal, fragte sich seine Frau und dachte, dass er wohl lieber einen Jungen gehabt hätte. Mutig fragte sie ihn und er nickte stumm und traurig mit dem Kopf.

Die junge Bäuerin windelte das Kind und sang es in den Schlaf. Mutter und Tochter wurden durch das sorgenfreie Leben immer schöner. Selbst der Spiegel, den sie sich geleistet hatte, gab ihr ein anmutiges Bild zurück, so dass sie sich fragte, warum ihr Mann von so tiefer Traurigkeit befallen war. Sie nannte das Mädchen Sabine. Es wuchs in den Wiesen auf, sprach mit den Tieren und Pflanzen und am liebsten sah sie den Kranichen bei ihrem Morgentanz zu. Mit ihnen möchte ich einmal ziehen, wünschte sie sich. Sie entwickelte ein so liebes und zartes Wesen, dass Mutter und Vater ihren Stolz an ihr hatten und mit den Jahren überzog das Gesicht des Bauern ein inniges Lächeln.

Einige Tage vor Sabines achtzehnten Geburtstag bereiteten die Eltern ihr Kind, das so gerne leichtfüssig mit den Kranichen in den Wiesen tanzte, darauf vor, dass ein reicher Herr kommen und sie zur Frau nehmen werde. Das holde Antlitz der angehenden Braut verfinsterte sich. Sie stampfte mit dem Fuß auf die Schwelle, dass die Funken stoben und rief zornig: „Niemals werde ich einen Fremden heiraten!“

Der Bauer nahm sein wütendes Kind in den Arm, hatte er doch beim Anblick der funkensprühenden Holzpantinen, auf die er erst vor einigen Tagen neue Eisen geschlagen hatte, Hoffnung gewonnen, dass alles nur Zufall sei und er sich vielleicht doch nicht mit dem Teufel eingelassen habe. Alles könnte gut ausgehen, wie seinerzeit, als die Armut an ihnen nagte. Er hatte mit dem Vieh gut gewirtschaftet und dem Esel nur wenige Male an den Ohren gezogen. So lebte er mit seiner Frau und Sabine inmitten herrlicher Natur bescheiden glücklich und zufrieden. Er hatte den Teufel nicht versucht und nur genommen, was sie zum Leben brauchten.

Sabines achtzehnter Geburtstag wurde feierlich begangen.

Die bangen Herzen von Vater und Mutter trübten ein wenig die ausgelassene Stimmung der jungen Leute, die Sabine um sich versammelt hatte. Auch die Vögel, die Tiere aus Feld, Wald und Wiese hatten sich um das hell erleuchtete Haus versammelt, um Sabine in ihrem Geburtstagsglück von ferne zu grüßen.

Als die jungen Leute gegangen waren und die Nacht über Haus und Hof hereinbrach, atmeten Vater und Mutter auf, denn der Fremde war nicht gekommen.

Da schlug die Uhr zwölf. Der Böse stand mit unverhüllter Fratze und Krallenfingern in der Tür: „Sabine!“ schrie er. „Ab heute bist Du meine Frau!“

Sabine, die in stummer Zwiesprache mit den Tieren aus Feld und Flur im hellen Mondschein stand, erschauerte. Sie rannte fort, so schnell die Beine sie trugen und alle Tiere folgten, um ihre Gefährtin vor Unglück zu bewahren. Auf dem Spitzberg, der vor dem Sabinensee in den Himmel ragt, sah sie, dass sie vor dem Teufel, der ihr dicht auf den Fersen folgte, keine Chance hatte, wenn sie nicht versuchte, über den See zu springen. Lieber tot als in den Klauen dieses Unholds, dachte Sabine und alle Tiere machten ihr Mut.
„Spring!“, riefen die Kraniche,“ wir tragen Dich hinüber“.
„Spring!“, sagte der Fuchs,“ ich halte den Teufel auf“.
„Spring!“ sagte der Schmetterling,“ ich verwirre den Teufel mit meinem flatternden Flug“ Sabine sprang.

Die Kraniche trugen Sabine auf ihren Flügeln, der Fuchs hielt den Teufel auf und der Schmetterling tanzte hin und her, so dass der Teufel, der schon zum Flug angesetzt hatte, nicht wusste, welche Richtung er einschlagen musste.

So rief er alle vier Winde, die über dem See zusammen stießen. Ihr Aufprall schleuderte die Kraniche senkrecht in die Höhe. Sabine rutschte von ihren Flügeln. Das sahen die Fische und befahlen dem Nordwind, das Wasser zu teilen, damit das zarte Kind bei seinem Sturz auf den weichen Thron in ihr Spiegelschloss fiel.

Dort sitzt Sabine fortan in funkelnder Pracht. Sie hat Ertrunkene zu neuem Leben erweckt und zu ihren Gespielen erwählt. Sie leben in Harmonie und Sabine passt auf, dass kein böser Geist je an ihre Pforte klopft.

Des Sommers, wenn die Sonne über dem See das Wasser besonders hell glitzern lässt, kann man kopfunter in das bleiche Gesicht der schönen Sabine schauen und man hört, wie sie ihren Gespielen die Geschichte der Kraniche erzählt, die auf ihren weiten Flügen mit ihren sehnsuchtsvollen Rufen durch die Reiche des Lebens und Sterbens die Seiten wechseln, ohne zu wissen, wo ihr Zuhause ist.

Aufgeschrieben von Brigitte Martin 2004: mündliche Überlieferung, Quelle unbekannt

Bild: Einladungskarte zur Einweihung der „Skulptur Sabine im Spiegelschloss“ von Johanna Martin, Bildurheber: Johanna Martin