78/20

78/20 ist der Name für eine Installation, die ich in im Jahr 2011 in Berlin gezeigt habe. Es sind 78 Reproduktionen von Zeichnungen und Druckgrafiken aus 20 Jahren, Frauenbildnisse. Zeichnen war und ist für mich ein Mittel, meine Gefühle und und Gedanken auszudrücken.
Selbst Ideen, Vorhaben, die ich eher planerisch zu Papier bringe, sind von unbewussten Stimmungen begleitet. Es können Gute und Schlechte sein.

Die Arbeiten sind in der Zeit von 1991 bis 2011 entstanden. Das ist mehr oder weniger die Nachwendezeit. In gewisser Weise reflektiere ich in dieser Arbeit also auch, was bei mir zeichnerisch in dieser Zeit geschah.
Es sind zwanzig Jahre in denen sehr viel passiert ist. Das Machtgefüge Ost/West löste sich auf und die Bevölkerung so manches Berliner Bezirks wurde nahezu komplett ausgetauscht. Die Zeichnungen können und wollen das alles gar nicht wiedergeben. Sie laden ein, sich zu spiegeln.

Die Zahl 78 entspricht der Anzahl entspricht der Anzahl der Karten des Tarot. Auf den Karten sind archetypische Motive abgebildet, die für eine Interpretation der jeweiligen Lebenssituation, und wer will, auch für die Zukunftsschau benutzt werden. Bei meinen Zeichnungen tauchen mitunter die gleichen Motive mehrmals auf. Das kann daran liegen, dass bestimmte Themen mich immer wieder beschäftigen, oder dass ich einfach länger an einem arbeitete und hier verschiedene Stufen der Bearbeitung integriert habe.
Die gezeigten Reproduktionen verschmelzen zu einer neuen Arbeit. ich habe sie alle in gleichem Format auf dem gleichen Papier realisiert und sie so der Zeit entrissen, in der sie entstanden sind. Es geht mir nicht darum, einen chronologischen Ablauf zu zeigen. Manchmal habe ich Fotokopien gefertigt und an diesen weitergearbeitet und somit entstand ein neues Original. Dies ist keine von mir erfundene Praxis. David Hockney hat schon in den achtziger Jahren hat die Kopier- und Faxgeräte tatsächlich in die Gestaltung einbezogen. Es geht also nicht einfach um Kopien von Bildern, sondern um das Neue, dass hier ensteht.

Iin der Ausstellung habe ich die Betrachter-innen eingeladen, ihre Gefühle und Befindlichkeiten auszudrücken. Ich bat sie, die Zeichnungen auf sich wirken zu lassen und Sorgen, Wünsche, Träume und Gefühle auf die Bilder zu schreiben. Dafür hingen farbige Stifte bereit.

Das Ergebnis war für mich recht überraschend. Von feinsinnig Formulierten Befindlichkeiten bis zu recht platten Kommentaren war alles dabei.

Johanna Martin
November 2011